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FAHRGAST - Die Zeitung
Ausgabe 3/98 - November 1998
www.fahrgast.at/z98-3-1.htm - Letzte Änderung dieser Seite am 14.9.1999 (ARK)
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Wiener Linien - jetzt GmbH
Gespräch mit Stadtrat Mag. Brigitte Ederer (SPÖ)
Gespräch mit LAbg. Dr. Mathias Tschirf (ÖVP)
 

Wiener Linien - jetzt GmbH

Bei den Wiener Stadtwerken hat es in den letzten Monaten gewaltige Veränderungen gegeben: Aus einer Magistratsabteilung wird eine Holding, aus den operativen Bereichen werden Kapitalgesellschaften im Eigentum dieser Holding.

Eine der operativen Gesellschaften ist die Wiener Linien GmbH & Co KG, Anlaß genug für den FAHRGAST, sich mit der Frage der Auswirkungen auf die Fahrgäste zu befassen.

Eine derartige massive organisatorische Veränderung - aus dem Magistrat eine Kapitalgesellschaft zu machen - war in den letzten Jahren wiederholt diskutiert worden, aber stets am Widerstand vor allem innerhalb der SPÖ (Hatzl & Co) gescheitert.

Inzwischen hat aber neben den geänderten politischen Mehrheitsverhältnissen insbesondere die Liberalisierung im Energiebereich, die von der EU erzwungen wurde, ihre Wirkung gezeigt: Wienstrom und Wiengas wissen, daß sie, wollen sie langfristig am Markt mitspielen, handlungsfähige Gesellschaften sein müssen. So wurde das Undenkbare Faktum.

An sich ist der Schritt der "Vergesellschaftung" auch in Österreich recht normal: Linz, Graz, Innsbruck haben seit Jahren ihre kommunalen Versorgungs- und Dienstleistungsbetriebe gesellschaftsrechtlich strukturiert. Im Ausland, insbesondere in Deutschland, war und ist die gleiche Entwicklung zu beobachten. Festzuhalten ist, daß es sich nicht um eine Privatisierung oder auch nur eine Teilprivatisierung handelt - es ist kein Verkauf von Anteilen der Wiener Stadtwerke Holding AG oder der operativen GmbHs vorgesehen.

Was sind die Vorteile?

  • mehr Entscheidungsfreiheit der Unternehmensleitungen, weil keine politisch-adminstrativen Prozeduren abzuwarten sind. Außerdem wird eine unternehmerische Führung in der Regel eine stärkere interne Kontrolle ("Vieraugenprinzip") bringen;
     
  • klare Finanzierungsverhältnisse, ohne Berücksichtigung der Kameralistik;
     
  • langfristig effizientere Personalwirtschaft durch - im Fall der Stadtwerke - sukzessives Herausführen aus dem öffentlichen Dienst.

Daß daher die Unternehmensbildung im Bereich der Energiewirtschaft nur zu begrüßen ist, ist meines Erachtens klar. Hingegen ist die Beurteilung im Bereich der Verkehrsdienstleistungen etwas komplexer.

Auch hier sind die organisatorischen Vorteile praktisch die gleichen, und es ist daher eine gewisse Effizienzsteigerung zu erwarten. Die Besonderheit des Öffentlichen Nahverkehrs ist aber sein fast zwangsläufiger (nicht immer: siehe Hongkong!) Zuschußbedarf. Wenn aber ein Unternehmen immer "defizitär" ist, laufen die typischen Steuerungsmechanismen - insbesondere der Maßstab Gewinn - hin zu mehr Effizienz in Gefahr, abgenutzt und irrelevant zu werden.

Bisher war der (politische) Rechtfertigungsdruck auf die Wiener Linien, etwa durch die Einbettung in die Wiener Stadtwerke, gemildert: Im Energiebereich wurden satte Gewinne geschrieben. Zwar ist eine gewisse Transparenzminderung durch den Zusammenschluß in der Holding nicht auszuschließen, aber tendentiell wird die Situation der Wiener Linien - Zuschüsse und noch mehr Zuschüsse - künftig deutlicher werden.

Das ist an sich gut so: Der Steuerzahler und seine politischen Vertreter sollen ja klar und deutlich wissen, was welche öffentliche Dienstleistung kostet. Und es ist auch gut, wenn der Druck in Richtung mehr Effizienz auf die Wiener Linien steigt.

Wir müssen aber auch ganz realistisch sehen, daß durch die eingebaute Trägheit des Systems (Anmerkung) Effizienzverbesserungen auch künftig nicht im wünschenswerten Maß erfolgen werden. Daher ist auch nicht auszuschließen, daß die Frage "Ja, brauchen ma denn des?" angesichts ungeschminkter Zuschußbedarfe öfter gestellt werden wird. Und nicht alle - Bürger und Politiker - glauben, den öffentlichen Verkehr wirklich zu brauchen, manche/r kann sich da auch Einschränkungen vorstellen.

Es geht aus Sicht der Nutzer des Öffentlichen Verkehrs (aber letztlich auch, durch Umwegeffekte, für alle im Raum Wien) darum, den Effizienzdruck, der aus der Umstrukturierung entstehen wird (oder zumindest kann), zu nützen, aber im Sinne einer Verbesserung der Dienstleistung (Quantität und Qualität des Angebotes) und nicht im Sinne einer bloßen Verringerung der öffentlichen Mittelzufuhr.

Die Erfahrung zeigt, daß eines der wirksamsten Mittel zur Effizienzerhöhung der Druck des Wettbewerbs ist. Es würde sich daher lohnen, über geeignete Formen des Wettbewerbs von Anbietern des Öffentlichen Verkehrs schon jetzt nachzudenken - die Entwicklung in der EU (Vergaberecht, Bahnrichtlinie, usw.) läuft ohnehin ebenso in diese Richtung, und diverse vor allem ausländische Erfahrungen und Modelle gibt es auch.

Georg Pammer  

*) Nur zwei Hinweise: Alle derzeitigen Bediensteten sind von den Gesellschaften Wr. Stadtwerke AG zu übernehmen; bei der Ausschreibung der Geschäftsführungsfunktionen wurden "fachlich einschlägige Führungsaufgaben in kommunalen Verkehrsbetrieben" verlangt und Erfahrungen vom Bereich der Wiener Stadtwerke gewünscht - eher Windstille als frischer Wind.   (zurück)  
 


Gespräch mit Stadtrat Mag. Brigitte Ederer (SPÖ)

FAHRGAST: Frau Stadtrat, Sie als Verantwortliche für die Stadtwerke haben die Umstrukturierung der Stadtwerke zur Holding-AG mit operativen Tochtergesellschaften - zum Teil gegen Widerstand in den eigenen Reihen - eingeleitet. Welche Vorteile sehen Sie darin und sehen sehen Sie auch Risken?

Ederer: Die Umstrukturierung der Wiener Stadtwerke in eine Holding AG bringt den Vorteil, daß die Energieunternehmen in der geänderten Wettbewerbssituation rascher und eigenverantwortlicher als bisher agieren können. Dies ist unter den geänderten Marktbedingungen unerläßlich. Die Risken sind keine anderen als jene, mit denen das Unternehmen Wiener Stadtwerke in einem liberalisierten Energiemarkt auch derzeit konfrontiert ist. Der Markt bedeutet aber auch eine Chance, die es zu nützen gilt.

Speziell für die schwer defizitäre Wiener Linien GmbH werden die notwendigen Zuwendungen der Stadt Wien jetzt deutlicher sichtbar werden. Wie wird Druck in Richtung einer Effizienzerhöhung von Ihnen bzw. der Stadtregierung gemacht werden?

Die Zuwendungen an die Wiener Linien sind auch derzeit transparent. Deren genaue Höhe wurde schon bisher alljährlich anläßlich der Vorlage von Wirtschaftsplan bzw. Rechnungsabschluß der Wiener Stadtwerke an den Wiener Gemeinderat veröffentlicht. Effizienzerhöhung war auch bisher ein Thema. Die Tatsache, daß allein von 1994 auf 1999 das Angebot der Wiener Linien um 12 Prozent gestiegen ist - und das sogar bei leicht sinkendem Personalstand - beweist dies anschaulich.

Sehen Sie die Gefahr, daß der Rationalisierungsdruck auf die Wiener Linien GmbH zu einer Leistungsreduktion für die Fahrgäste führen wird?

Auch in Zukunft wird die Stadt von den Wiener Linien erwarten, daß die Verkehrsleistungen in gewohnt hoher Qualität geboten werden. Immerhin bezahlt ja die Stadt die Investitionen der Wiener Linien zu 100% und die Betriebskosten zur Hälfte.

In welcher Form sollen Leistungsverträge zwischen der Stadt und der Wiener Linien GmbH gestaltet werden, oder ist an andere rechtliche Instrumente gedacht? Welche quantitativen und qualitativen Vorgaben wird es da geben?

Es ist vorgesehen, den die Betriebskosten betreffenden Entlastungsbeschluß aus dem Jahre 1979 fortzuschreiben und die Investitionen auch weiterhin in Form einer Kapitalaufstockung zu finanzieren.

Können Sie sich wettbewerbliche Verfahren zur Auswahl des/der Dienstleister/s beim Öffentlichen Nahverkehr vorstellen, oder soll das ein (Fast-)Monopol der Wiener Linien GmbH bleiben?

Ziel aller Maßnahmen muß es sein, optimale Qualität zu fairen Preisen anbieten zu können. Es ist daher beabsichtigt, die Wiener Linien mit dem Gesamtsystem "Öffentlicher Verkehr" zu betrauen. Einzelne Linien an andere Verkehrsunternehmen zu vergeben, würde letztlich dazu führen, daß dem der Stadt gehörenden Unternehmen nur die unrentablen Linien bleiben, was sicherlich nicht im Sinne der Steuerzahler wäre.

Sind für Sie bei der Wiener Stadtwerke AG oder bei deren Töchtern auch (Teil-) Privatisierungen oder Verschränkungen mit anderen Unternehmen denkbar? Vor welchem Zeithorizont?

Teilprivatisierungen oder Verschränkungen mit anderen Energieunternehmen sind derzeit nicht aktuell. Die Unternehmensstrategie sieht allerdings Kooperationen - etwa in Form von gemeinsamen Tochtergesellschaften - vor.  
 


Gespräch mit LAbg. Dr. Mathias Tschirf (ÖVP)

FAHRGAST: Herr Abgeordneter, Sie haben als Sprecher des Koalitionspartners ÖVP auf die Umstrukturierung der Stadtwerke zu einer Holding-AG mit operativen Tochtergesellschaften - zum Teil gegen Widerstand in den Reihen der SPÖ, aber letztlich erfolgreich - gedrängt. Welche Vorteile sehen Sie darin und sehen sehen Sie auch Risken?

Tschirf: Derzeit sind die Wiener Stadtwerke ein Teil des Magistrats und daher wie eine Verwaltungsbehörde organisiert. Kostenmanagement und klare Führungstrukturen (Zielsetzungen etc.), wie sie für Unternehmen notwendig sind, brauchen aber andere - gesellschaftsrechtliche - Rahmenbedingungen. Die Neustrukturierung ist daher der notwendige Schritt in diese Richtung.

Eine Gefahr liegt grundsätzlich in einer rein nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierten Leistungsreduktion. Aus meiner Sicht ist es daher notwendig, daß Fragen der Verkehrspolitik und damit des Öffentlichen Verkehrs verstärkt von der Politik wahrgenommen werden.

Speziell für die schwer defizitäre Wiener Linien GmbH werden die notwendigen Zuwendungen der Stadt Wien jetzt deutlicher sichtbar werden. Wie sollte Druck in Richtung einer Effizienzerhöhung von der Stadtregierung bzw. dem Gemeinderat gemacht werden?

Die Transparenz, die auch durch EU-rechtliche Rahmenbedingungen (keine Quersubventionierungen) geschaffen wird, ist ein gutes Druckmittel. Schon jetzt zeigt sich, daß bei den Wiener Linien aufgrund des strukturellen Defizits die Anstrengungen hin zu effizienten Strukturen größer ist, als in jenen Bereichen der Wiener Stadtwerke, die strukturell Aktivposten sind (insbesondere Strom).

Sehen Sie die Gefahr, daß der Rationalisierungsdruck auf die Wiener Linien GmbH zu einer Leistungsreduktion für die Fahrgäste führen wird?

Die Gefahr besteht grundsätzlich, die Politik ist aber gefordert, ihre verkehrspolitischen Ziele umzusetzen.

In welcher Form sollen Leistungsverträge zwischen der Stadt und der Wiener Linien GmbH gestaltet werden, oder ist an andere rechtliche Instrumente gedacht? Welche quantitativen und qualitativen Vorgaben sollte es da geben?

Zwischen der Stadt Wien und den Wiener Linien muß geregelt werden, wie der Verlust abgedeckt wird. Damit besteht eine politische Einflußnahme auf sämtliche verkehrspolitische Ziele.

Können Sie sich wettbewerbliche Verfahren zur Auswahl der Dienstleister beim Öffentlichen Nahverkehr vorstellen oder soll das ein (Fast-)Monopol der Wiener Linien GmbH bleiben?

Ja ich kann mir die Auslobung einzelner Autobuslinien vorstellen. Wichtig ist aber, daß klare qualitative Kriterien berücksichtigt werden. Ein interessanter Ansatz besteht auch in der Ausweitung des Versuchs der Sammeltaxis.

Sind für Sie bei der Wiener Stadtwerke AG oder bei deren Töchtern auch (Teil-) Privatisierungen oder Verschränkungen mit anderen Unternehmen der denkbar? Vor welchem Zeithorizont?

Im Bereich der Wiener Linien kann ich mir eine Privatisierung nicht vorstellen, im Energiebereich hingegen ist die Beschränkung auf einen Kernaktionär, so wie das im ELWOG (51 %) vorgesehen ist, denkbar. Verschränkungen sind im Interesse der Haltung inländischer Einflußsphären dringend geboten. Letzteres sollte so rasch wie möglich erfolgen.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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